Ein Freund von mir hat am diesjährigen Freiburg Marathon teilgenommen und wurde Gesamtelfter. Er hat hierzu einen sehr ausführlichen Bericht geschrieben, der auch auf die Vorbereitung eingeht. Da er für mich in einer ganz anderen Liga läuft, finde ich seine Eindrücke besonders interessant.
— Beginn Gastbeitrag —
Die Auswahl
Warum wählt man einen Stadtmarathon aus, der weder bei Anzahl der Finisher noch bei der Gewinnerzeit im Vorderfeld der deutschen Marathonveranstaltungen zu finden ist? Es sind hauptsächlich folgende drei Gründe, die zu meiner Teilnahme am 11. Freiburger Marathon geführt hatten:
1. Der Termin – nachdem ich mich im letzten Jahr ganz und gar auf den Mainz-Marathon fokussiert hatte, wurde ich in der Veranstaltungswoche krank und konnte daher am Marathon nicht teilnehmen. Da Mainz eigentlich bekannterweise der letzte Termin der Frühjahresmarathons ist, war ein Ausweichtermin eigentlich nicht mehr zu finden, so dass ich zwangläufig am 4 Wochen später stattfindenden Mannheim Marathon bei 27°C die 42,2km absolvieren durfte. Dass diese Umstände keine Spitzenzeit zuließen, versteht sich von selbst. Daher entschied ich mich für das Frühjahr 2014 einen deutlich früheren Marathontermin zu wählen, um in einem solchen Notfall auf einen anderen Frühjahresmarathon mit entsprechender „Klasse“ umsteigen zu können, z.B. Hamburg, Mainz, etc. Darüber hinaus startet im Mai oftmals die „Heiratssaison“, d.h. der ein oder andere Freund wird sich wieder sicher entschließen, in diesem Monat zu heiraten, da kann man sich dann oft nur schwer wegen eines Marathons entschuldigen.
2. Die Stimmung – der Freiburg-Marathon verspricht „Run & Rock“, d.h. 42 Bands auf 21,1km – das alleine sollte für die notwendige Anfeuerung auf der Strecke sorgen! Eine gute Stimmung und kontinuierliche Anfeuerung vom Streckenrand kann jedem Marathonläufer Flügel verleihen, gerade in Phasen in denen es nicht so gut läuft.
3. Die Stadt – Freiburg ist nur ca. 180km von meiner Heimatstadt entfernt und ich war beruflich mehrere Male dort zu Werke. Dabei habe mich wegen Ihrer Vielfältigkeit immer recht wohl gefühlt – die Menschen, die ich dort kennenlernte waren ebenfalls sehr freundlich und aufgeschlossen, daher bin ich immer wieder gerne dorthin gereist.
Die Vorbereitung
Die Vorbereitung bestand im Makrozyklus aus einem 20-Wochen-Plan, um die Zeiten auf den Unterdistanzen zu verbessern bzw. auf ein Niveau zu bringen, das ich zuletzt 2008 hatte. Da Wettkämpfe das Salz in der Suppe und das richtige Mittel zur Formüberprüfung sind, nahm ich an der Winterlaufserie Rheinzabern 2013/14 teil und erreichte dabei den 2. Platz in der Altersklasse M35 mit folgenden Zeiten auf den einzelnen Strecken:
1. 36:25min/10km
2. 54:47min/15km
3. 1:15:31h/20km
Nach 2 Wochen Regenerationspause mit nur 9 lockeren Trainingstagen startete ich zu den letzten 8 Wochen gemäß des GREIF-Countdown zur Bestzeit in der Gruppe 7 mit einer Zielzeit von 2:44h. In den ersten fünf Wochen lief alles nach Plan: die Kilometer spulte ich locker herunter (ca. ~140km/Woche) und die Geschwindigkeit in den intensiven Einheiten (Tempodauerlauf, Intervalle, Endbeschleunigung beim langen Lauf) absolvierte ich ebenfalls immer leichter. Dann kam es wie so häufig: ähnlich wie im vergangenen Jahr, bekam ich wieder eine Erkältung und es dauerte 7 Tage bis ich wieder vollständig in den Trainingsplan zurückkehren konnte. Das hieß allerdings, dass ich die wichtige 35km mit 15km Endbeschleunigung und dem zwei Tage späteren 15km Formüberprüfungslauf auslassen musste. Letztlich ging es also direkt in die Tapering-Phase über, Regenerieren war angesagt, um möglichst ausgeruht in das Rennen über 42,2km zu gehen. Ich reiste einen Tag vor dem Marathon nach Freiburg an und quartierte mich in ein Hotel in unmittelbarer Umgebung zum Messegelände – und damit zu Start/Ziel – ein (ca. 2km). Am Abend noch ein kleiner Spaziergang in Richtung Marathonstrecke, danach legte ich mich frühzeitig ins Bett, um gut ausgeruht an den Start zu gehen.
Der Tag des Wettkampfes
11:00 Uhr ist eine recht späte Startzeit, so dass man trotz Ausschlafens noch genügend Zeit für die unmittelbare Vorbereitung und das Frühstück hat. Um kurz nach 7:30 Uhr aufgestanden mache ich mich fertig und treffe um ca. 8:00 Uhr ausnahmslos Läufer am Buffet im Frühstücksraum. Ich hatte meine Brötchen („Kaiser“) und Marmelade dabei, d.h. außer einem Kaffee ging das Buffet spurlos an mir vorbei – Ihr wisst ja: keine Experimente am Marathontag! Nach gemütlichem Verzehr der Brötchen und ein paar Stückchen Vollmilchschokolade, um das Carbo-Loading abzuschließen, geht es zurück aufs Zimmer. Anziehen, Kleiderbeutel richten, etc. ehe ich mich noch einmal aufs Bett zum Ausruhen lege. Gegen 9:30 Uhr bringe ich mein Gepäck zurück ins Auto und verabschiede mich von der Rezeption – der Fußweg in Richtung Messehalle dauert ca. 20 Minuten. Den Kleiderbeutel abgegeben mache ich mich mit meiner Flasche Wasser auf zum Warmlaufen – das Wetter ist gut, u.U. etwas zu warm mit ca. 17°C und Sonne, aber so macht es in Summe trotzdem mehr Spaß als bei 0°C und Regen ca. 3 Stunden unterwegs zu sein. Das Einreihen in den Block gestaltet sich etwas schwieriger, da die Security eigentlich keine Läufer mehr vorne in den Block hinlassen möchte. Es kann aber nicht wirklich ihr ernst sein, dass ich mich jetzt 10 Minuten vor dem Start durch ca. 100m Startblock schieben soll. Also beharre ich auf den Durchgang vor dem Starterfeld und reihe mich ca. in die Reihe 20 ein. Das übliche Getuschel vor dem Start und ich höre neben mir die Stimmen: „Na, was möchtest Du laufen?“ „Eine 1:50h soll es schon sein…“ Ich denke mir: „Ok, wie immer zu weit hinten eingereiht und wie immer Leute um dich herum, die eigentlich nicht dorthin gehören.“ Ich werde nie verstehen, mit welchem Selbstbewusstsein sich solche Leute dort eingruppieren – es ist Deutsche HM-Meisterschaft, da gehört jemand mit 5:15min/km bestimmt nicht in die 20. Startreihe. Auf der anderen Seite sind die Veranstalter selbst Schuld. Warum beschränkt man zumindest den Zugang zum vordersten Startblock nicht mit einer obligatorischen Zeitreferenz? Damit würde man mindestens 90% der falsch positionierten Läufer aus der Gruppe der Leistungssportler bzw. sehr ambitionierten Freizeitläufer im schnellsten Startblock heraushalten.
Der Start
Pünktlich nach der Nationalhymne erfolgt der Start und wie erwartet läuft das Rennen sehr gut los. Nach dem ersten Kilometer zeigt die Uhr 3:59min, „Yes!“ – damit habe ich das gewünschte Tempo für die ersten 3 Kilometer voll getroffen. Nach diesen zeigt die Uhr 12:00min, d.h. ich bin etwas zurück und es gibt jede Menge „5km-Schauläufer“, die an mir vorbeirennen, aber alles im grünen Bereich – einzig fällt es schwer bereits auf den ersten Kilometern durch das ständige auf und ab die Pace „locker“ zu halten. Dieses Gefühl bleibt und wird zwischen den Kilometern 6 bis 11 noch weiter verstärkt. Die 60 Höhenmeter/Halbmarathonrunde sind deutlich zu spüren und schlimmer als nur das Hochlaufen sind diese ständigen Wellen… es ist daher schwer einen guten Rhythmus zu finden, der einem ein effizientes Laufen ermöglicht. Daher schalte ich eher einen Gang zurück – das zeigt sich dann auch bei der ersten Zwischenzeit über 10km: 40:20min. Mmmh, eine 39:30min ist es nicht, aber ich fühle, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, mich zu bremsen. Ich denke mir „das wäre glatter Läuferselbstmord hier ungeachtet der Streckengegebenheiten die gewünschten 3:54min/km durchzuziehen“ und bleibe beim gewählten Tempo.
Bis zum Halbmarathon
Nachdem die ersten 10km absolviert sind, beginnt es zu rollen… die Kilometerzeiten werden wieder leicht schneller und das Gefühl der Lockerheit schleicht sich ein. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt als man das Kopfsteinpflaster der Freiburger Altstadt unter den Füßen spürt… Durchschnittlich fühlt es sich trotzdem etwas leichter an, das liegt aber wohl eher an der Stimmung an der Strecke – denn der Untergrund zusammen mit den ständig kreuzenden Straßenbahnschienen erfordern die volle Aufmerksamkeit. Ansonsten kann es ganz schnell mit dem Lauf vorbei sein und man findet sich in der Orthopädie der Freiburger Uniklinik wieder. In Summe laufe ich hier einen 4:00min/km Schnitt – auch als es kurz vor dem Halbmarathonende noch zwei Mal steiler bergan über Brücken geht. Während dieses Streckenabschnittes überhole ich bereits „liegengebliebene“ Halbmarathonläufer und langsamer werdende Marathonläufer – ich kann den Gedanken „die werden noch leiden…“ nicht verhindern. Beim Überschreiten der Matte stoppt die Uhr bei 1:24:25h, was ziemlich genau einem 4:00min/km Schnitt entspricht. Damit bin ich zunächst zufrieden, da es reicht um mein zweites Ziel – nämlich die 2:50h zu laufen – zu erreichen und hoffe, in der zweiten Runde noch etwas drauflegen zu können…
Erneut auf den Gipfel
Vorbei an Start und Ziel erkennt man dann seine wahren Gegner auf der Laufstrecke, da sich die Halbmarathonis an der Weiche rechts einordnen und die Marathonis links die zweite Runde in Angriff nehmen. Es ergibt sich ein positives Bild, da ich in ca. 75m Abstände immer wieder andere Läufer vor mir sehe. Ich blicke nur noch gelegentlich auf die Uhr – die Gier nun einen nach dem anderen „Einzusammeln“ bestimmt das Tempo. Natürlich ohne zu schnell zu werden sauge ich mich Läufer für Läufer heran und gehe mit gutem Laufschritt immer direkt vorbei und behalte mein Tempo bei. Es macht Spaß und auch als wir der Dreisam entlang laufen und das Gefühl von Landschaftslauf aufkommt, behalte ich die Konzentration und kralle mich im Rücken des jeweils direkt vor mir laufenden Kontrahenten fest. Im Nachhinein erfahre ich, dass ich auf diese Art und Weise von Platz 33 bei Kilometer 12km über Platz 27 beim Halbmarathon bereits auf Platz 17 bei Kilometer 33 vorgerückt bin. Beim erneuten Einzug in die Altstadt ruft mir ein Kind „Platz 20“ zu und klatschte mich ab – das fand ich super, da wusste ich zum ersten Mal wo ich innerhalb des Läuferfeldes stand. Die Top 10 will ich auf jeden Fall noch schaffen und drehe jetzt richtig auf. Auch wenn es wieder schwer fällt durch die Altstadt, das Gefühl immer mehr Marathonis zu überholen, die auch immer schlechter aussehen, verleiht Flügel. Das eigene Gefühl ist dabei nie überragend, so dass es von alleine lief – ich muss weiter hart arbeiten, um das Tempo hoch zu halten.
Gen Ziel
Wieder schaffe ich es von hier aus gegenüber dem vorhergehenden Abschnitt zu beschleunigen und ich kann weiterhin Boden gegenüber meinen Mitläufern gut machen. „Beine anziehen, Arme oben halten, lange Schritte…“ all das geht einem durch den Kopf. Auch welches harte Training man absolvierte, um hierher zu kommen. Den Winter, den man durchtrainierte und der einem es manchmal so schwer macht loszulaufen, wenn Dir bei 2° Grad der Regen bei gefühlt 80km/h Wind die Tropfen ins Gesicht bläst… „Weiter, weiter, immer weiter…“. In der Altstadt wird es nun langsam zum Kurvenlauf, da sich hier bereits Karawanen von „Halbmarathongehern“ rechts und links auf der Straße aufhalten. Kein Blick zurück, keine Aufmerksamkeit für andere, etc. es fehlen nur noch die „Nordic Walking“-Stöcke – entschuldigt, aber das ist Familienwandern und kein Joggen, schon gar kein Laufen! Trotzdem meine Konzentration ist da, die Beine sind weiterhin gut – natürlich schmerzen sie, aber das gehört dazu. Die 5-Markstück große Blase am linken Zeh tut nicht so weh wie es danach aussehen wird und darum kann ich weiterhin Platz um Platz gut machen. Die letzten Meter stürme ich die zuletzt erklommene Brücke herunter und laufe damit die letzten 200m im 3:35min/km Schnitt zu einer 2:50:09h netto. Direkt im Ziel kann ich mir ein kurzes Ärgern nicht verkneifen, aber dennoch: nach nunmehr dem neunten gelaufenen Marathon weiß ich, diese für mich sehr gute Zeit einzuschätzen. Obwohl ich bereits zwei Mal schneller gelaufen bin, sehe ich diese Leistung bereits unmittelbar nach dem Zieleinlauf als meine zweitbeste Leistung auf der Marathondistanz an. Die Strecke in Freiburg ist wirklich sehr anspruchsvoll und verlangt den Läufern alles ab – eine 2:48h in Hamburg aus dem Jahre 2008 war aus meiner Sicht leichter zu erzielen als diese 2:50h.
Nach dem Lauf
Zunächst genieße ich die Stimmung im Zielbereich. Noch kommen nur vereinzelt Läufer ins Ziel, so dass man ein wenig dort verweilen kann ohne direkt weitergeschoben zu werden. Die Atmosphäre ist wirklich toll und ich komme beim Abklatschen mit anderen Leidensgenossen, die wir uns alle größten Respekt für die erbrachte Leistung zollen, ins Gespräch. Vor allem José, einem spanischen Studenten der derzeit in Freiburg studiert, unterhalte mich länger. Er hat ebenfalls eine 2:45h als Bestleistung stehen, hat aber wegen der schweren Strecke „nur“ eine 2:53 geschafft, meinte er. Nachdem ich ein paar Hefeteig-Stückchen gegessen und dazu Wasser getrunken hatte, mache ich mich auf, den Kleiderbeutel zu holen, um zu duschen und mich umzuziehen. Ich sitze noch ein paar Minuten in der Sonne vor der Messehalle und genieße auch hier noch die Atmosphäre des Freiburg Marathon. Man kann von hier aus noch immer den Zieleinlauf verfolgen und dabei die gute Stimmung beobachten. Da macht es „piep, piep“ – da kommt die SMS von Christian über seine erfolgreiche Teilnahme mit persönlicher Streckenbestzeit vom Heidelberg Halbmarathon – sensationell, bedenkt man die Umstände um seinen geschwollenen Zeh und die damit verbundene Auszeit. Gegen 15:30 Uhr mache ich mich auf den Heimweg zum Hotel, wo ich mein Auto habe stehen lassen. Jetzt fallen die zwei Kilometer etwas schwerer – auf der anderen Seite ist es eine gute Gelegenheit etwas Lockerheit in die Beine zu bekommen. Das gelingt nur bedingt… Über die A5 mit dem Auto nach Hause bin ich wieder gegen 18:00 Uhr daheim und freue mich über ein sehr schönes Marathonwochenende.
— Ende Gastbeitrag —
Tja, was soll ich dazu sagen? Ich kann nur meinen Hut vor Deiner Leistung ziehen! Eine 2:50 trotz Erkältungspause auf dieser anscheinend anspruchsvollen Strecke ist beeindruckend. Mal ganz davon abgesehen, dass es für Dich aufgrund des Nachwuchses bestimmt nicht einfacher wurde, die Zeit für das Training (und auch den notwendigen Schlaf danach) zu finden. Ich weiß wovon ich rede. ;-)
Vielen Dank für Deinen Bericht, den ich sehr spannend finde. Hast Du als Nicht-Blogger richtig gut geschrieben. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Teilnahme am Jungfrau Marathon und hoffe, dass Du danach beim Schreiben des Berichts mitwirkst.
Wow, was für eine Leistung!
Und die Strecke ist wirklich nicht einfach zu laufen. Vor allem weil es eben auch 2mal die gleiche Runde ist und dazu noch recht spät losgeht und dann sehr warm wird.
Das ist spannend von einem so ambitioniertem Läufer zu lesen. Danke das Du ihn hast überreden können es auf Deinem Blog zu veröffentlichen.
2:50 ist mal ne Ansage, zumal auf der Strecke, Gratulation